Wussten Sie, dass der Walfisch kein Trommelfell braucht? - Und dass die drei kleinsten Knochen des Menschen im Gehör sitzen? Wir hören zwar nicht ganz so gut wie dieser junge Beetle. Aber auch das menschliche Gehör leistet überaus Erstaunliches. Tauchen Sie ein!
Das menschliche Gehör vermag akustische Schwingungen mit einer Amplitude von weniger als 0,1 Nanometern festzustellen, und dies auch noch, wenn der Schalldruck eine Millionen Mal stärker ist. Damit ist das Gehör das sensibelste Sinnesorgan des Menschen.
Es hat unseren Vorfahren zusammen mit dem Sehsinn das Überleben gesichert. Wenn sich die Raubkatze anschleicht, können wir sie mit zwei gesunden Ohren auch in vollkommener Dunkelheit sehr genau orten. Wenn sich eine Schallquelle gegenüber unserem Standort um nur 4 Grad nach links oder rechts verschiebt, können wir dies wahrnehmen. Denn unser Hörorgan ist so sensibel, dass es die Lautstärkenunterschiede zwischen dem am linken und dem am rechten Ohr eintreffenden Schall erkennen kann. Es merkt auch, dass der Schall auf der einen Kopfseite etwas später ankommt als auf der anderen. Wir können damit Laufzeitdifferenzen vom einen zum anderen Ohr ab ca. 10 Mikrosekunden unterscheiden.Noch heute, wo wir uns gewöhnlich nicht mehr vor Raubkatzen in Acht nehmen müssen, schützt uns unser Gehör vor drohender Gefahr: Im Strassenverkehr etwa hören wir herannahende Fahrzeuge, bevor wir sie sehen.
Die Hörschnecke im Innenohr, wo die Hör-Sinneszellen sitzen, ist mit Flüssigkeit gefüllt. Schall kann aber nur schwer in eine Flüssigkeit eindringen. Das merken Sie, wenn Sie in der Badewanne mit den Ohren unter Wasser tauchen. Dann verstehen Sie kaum etwas, wenn man mit Ihnen spricht.
Und genau deshalb haben wir ein Trommelfell und die drei Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel. Wobei der Steigbügel, der kleinste der drei Gehörknöchelchen, gerade mal 2,5 Milligramm wiegt und nur ca. 3,5 Millimeter lang ist. Zusammen sind die drei Gehörknöchelchen in der Lage, den Luftschall so zu verstärken, dass er in der Flüssigkeit im Innenohr die notwendige Bewegung auslöst. Genau genommen überwindet das Mittelohr den Impedanzsprung von Luft zu Flüssigkeit durch eine 22-fache Verstärkung oder 27 dB: Die Fläche des Trommelfells ist ca. drei Mal so gross wie das Ovale Fenster, der Eingang zur Hörschnecke. Und die ausgeklügelte Anordnung der Gehörknöchelchen bewirkt eine ca. 7-fache Hebelwirkung. Zusätzlich verstärkt der Gehörgang durch seine Bauweise und Trichterwirkung den Schall in den für uns wichtigen Tonhöhen (Frequenzen) um ca. 15 bis 20 dB.Das alles braucht der Walfisch nicht, denn er ist von Wasser umgeben. Er hört ausgezeichnet und kommuniziert mit seinen Artgenossen über Hunderte bis mehrere tausend Kilometer.
Vom Auftreffen des Schalls am Trommelfell bis zur Wahrnehmung des Signals im Gehirn vergehen etwa 150 Millisekunden. In dieser Zeit findet eine mehrfache Umwandlung des Impulses statt: Der Schall wird durch das Trommelfell und die Gehörknöchelchen-Kette in mechanische Bewegung überführt. Beim Übergang zur Hörschnecke wird diese Schwingung in Flüssigkeitsschall übertragen. Diese Schwingung erzeugt wiederum im Innenohr eine mechanische Bewegung der Haarzellen, welche durch Öffnen und Ausströmen lassen von Kalium-Ionen eine chemische Reaktion auslösen. (Die äusseren Haarzellen in der Gehörschnecke können sich mehr als hunderttausendmal pro Sekunde dehnen und kontrahieren. Damit bewegen sie sich schneller als jede andere Struktur des menschlichen Körpers.)Über weitere komplizierte Prozesse wird der chemische Impuls in einen Nervenreiz umgewandelt, also in ein elektrisches Signal. Dieses kann dann in der Hörbahn und schliesslich im auditorischen Cortex des Grosshirns zum wunderbaren Klang unseres Lieblingsinstruments oder einem erfreulichen Kompliment verarbeitet werden.
Das äussere Ohr hat auch eine wichtige Funktion beim Hören. Nicht umsonst ist das Ohr so kompliziert geformt: Die Stellung der Ohrmuschel bewirkt eine Filterung von Frequenzen. Für hohe Töne bildet sie einen direktionalen Filter, weshalb wir zum Beispiel Sprache von vorne viel deutlicher wahrnehmen können als von hinten. Wenn Sie mit den Händen einen Schalltrichter formen, können Sie diesen Effekt eindrücklich erleben.
Alles ist auf das Hören getrimmt: Der Tragus, der Verlauf der Helix, ja selbst das Ohrläppchen hat akustische Filter- oder Resonanz-Dämpfungsfunktionen.